Samstag, 15. Juni 2013

Wurzeln

wenn man sich wirklich mit den wurzeln von hass, chauvinismus, faschismus, ... auseinandersetzen will, kommt man nicht um Adorno und Fromm. derjenige, der diese arbeiten aber am weitesten weiterentwickelt hat, ist Arno Gruen



Indem uns von früher Kindheit an beigebracht wird, dass man Verletzungen nicht zeigen darf, weil man nicht hilflos sein darf - wird verletzlichkeit zu einem unerträglichen, den Selbstwert herabsetzenden, Zustand.
Im Grunde züchtet unsere Zivilisation nur ein Bedürfnis; das der Unverletzlichkeit.
Wenn unser Sein aber dadurch bestimmt wurde, dass nur die Identifikation mit jenen, die dieses Sein unterdrückten, uns von der Unerträglichkeit unserer Lage retten konnte, dann verlagert sich der Sinn dessen, was ein Mensch sein kann, nach Aussen in Symbolik und symbolische Taten hinein.
Dann wird eine Ideologie der Stärke zur einzigen Rettung eines so geschwächten Selbst.

Hier steigt das Phänomen des Nationalismus ein. Es ist erfolgreich als Förderer eines Selbstwertes, der die Qualen der eigenen Unzulänglichkeit einfach beiseite schiebt.
Damit wird Identität nicht zu einer inneren Sache, sondern einer zur Show getragenen Symbolik vermeintlicher Stärke, Hegemonie und Autorität.

Birkegard charakterisierte daher unser Zeitalter als ein Öffentliches.
Er meinte damit den Zusammenschluss von Individuen, die im Grunde schwach sind, weil sie keine eigene Identität hatten - deswegen auch keinen eigenen ethischen Standpunkt einnehmen konnten und deshalb auch keine wirkliche Gemeinschaft bilden können.
Menschen werden und lassen sich zu fiktiven, aber gefährlich und destruktiven Einheiten reduzieren.
Der Massenmensch des Faschismus, egal ob rechts oder links, ist das uns bedrohende Resultat.

Es ist uns allen klar, dass wir in einer Zeit großer Bedrohungen leben.
Die Arbeitslosigkeit wächst, die Disintegration zentraler Machtstrukturen, nicht nur in Russland und dem ehemaligen Jugoslawien, sondern auch in allen Ländern, die einen Zerfall gesellschaftlicher Werte aufweisen, verunsichert alle.
Es ist jedoch ein schreckliches Paradoxon, dass gerade die Auflösung von Gehorsamkeitsstrukturen, die ja die Freiheit, die Kreativität und die Spontanität fördern könnten, zu einer Gegenreaktion führt.
Wir können in Jugoslawien und der früheren Sowjetunion, ja auch in Deutschland und Österreich beobachten, dass Menschen sich in ihrem Sein bedroht fühlen.
In der Tat sind sie bedroht von Unsicherheiten und Unklarheiten.
Aber sie glauben für Freiheit und Sicherheit zu kämpfen, indem sie für eine höhere Identität kämpfen [...]

Arno Gruen, Der Verlust der Identität (Audiovortrag)



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